Schnell mal eine Mail von ChatGPT formulieren lassen, eine Präsentation mit Midjourney bebildern oder den Code durch Copilot optimieren? Für viele Beschäftigte längst Alltag; auch dann, wenn das Unternehmen selbst gar keine KI-Tools anbietet. Der Trend heißt „Bring Your Own AI“ (BYOAI) – und er sorgt in deutschen Unternehmen zunehmend für Diskussionen.
Vom privaten ChatGPT zur Schatten-KI
Was früher USB-Sticks und Dropbox-Links waren, ist heute ChatGPT & Co. Immer mehr Angestellte nutzen private KI-Tools für ihre beruflichen Aufgaben, teils aus Bequemlichkeit, teils aus Effizienzgründen. Laut einer aktuellen Bitkom-Studie gehen bereits vier von zehn Unternehmen davon aus, dass Mitarbeitende private KI-Anwendungen im Job einsetzen.
In 8 Prozent der Firmen ist das sogar weit verbreitet, in weiteren 17 Prozent gibt es Einzelfälle. Und etwa 17 Prozent wissen es nicht genau, gehen aber davon aus, dass es passiert.
Mit anderen Worten: Selbst wenn Unternehmen keine offizielle KI-Lösung anbieten, zieht sie oft schon längst in die Arbeitsprozesse ein – durch die Hintertür.
Warum BYOAI so beliebt ist
Die Gründe liegen auf der Hand. KI-Tools sparen Zeit, liefern oft erstaunlich gute Ergebnisse und sind für viele inzwischen alltägliche Helfer. Wer ChatGPT privat nutzt, fragt sich irgendwann: Warum nicht auch im Büro?

Gerade bei Routineaufgaben, E-Mails, Textentwürfe, Recherchen oder einfache Analysen, sind Tools wie ChatGPT, Claude oder Perplexity oft schneller als interne Prozesse. Dazu kommt: Viele Unternehmen bieten schlicht keine eigenen KI-Optionen an.
Laut Bitkom haben erst 26 Prozent der Firmen generative KI offiziell verfügbar gemacht. Bei großen Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten sind es 43 Prozent, bei kleineren mit 20 bis 99 Mitarbeitenden nur 23 Prozent. Weitere 17 Prozent planen den Einsatz, 30 Prozent können es sich vorstellen, doch 14 Prozent schließen eigene KI-Angebote grundsätzlich aus.
Zwischen Effizienz und Risiko
Für Mitarbeitende klingt BYOAI nach einer pragmatischen Lösung – für Unternehmen kann es zum Risiko werden. Wenn private Accounts im Spiel sind, ist nicht klar, wohin Daten wandern. Werden vertrauliche Informationen an öffentliche Modelle übermittelt, können Datenschutz- oder Urheberrechtsverstöße entstehen.
Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst warnt:
„Die Unternehmen sollten KI-Wildwuchs vermeiden und der Entwicklung einer Schatten-KI vorbeugen. Dazu müssen sie klare Regeln für den KI-Einsatz aufstellen und ihren Beschäftigten KI-Technologien zur Verfügung stellen.“
Denn was spontan hilfreich wirkt, kann langfristig zu einem Compliance-Problem werden. Neben Datenschutz stehen auch Transparenz und Nachvollziehbarkeit auf dem Spiel: Welche Inhalte wurden von KI generiert? Und wer trägt die Verantwortung, wenn etwas schiefläuft?
Wie Unternehmen reagieren (sollten)
Erfreulicherweise bewegt sich etwas. Fast ein Viertel der Unternehmen (23 Prozent) hat bereits Regeln für den KI-Einsatz definiert; im Vorjahr waren es erst 15 Prozent. Weitere 31 Prozent planen entsprechende Richtlinien, während 16 Prozent bewusst darauf verzichten.
Die Bitkom empfiehlt, in solchen Richtlinien klar festzulegen:
- Welche Tools genutzt werden dürfen (z. B. ChatGPT Enterprise statt privater Accounts),
- Für welche Zwecke der Einsatz erlaubt ist,
- Wie KI-generierte Inhalte gekennzeichnet werden müssen,
- Und wie Vertraulichkeit, Urheberrecht und Datenschutz gewahrt bleiben.

Unternehmen, die hier aktiv werden, schlagen gleich zwei Fliegen mit einer Klappe: Sie minimieren Risiken – und zeigen ihren Teams gleichzeitig, dass sie die Potenziale von KI ernst nehmen.
Vom Verbot zur Befähigung
Ein generelles KI-Verbot wäre der falsche Weg. Mitarbeitende bringen die Tools ohnehin mit, oft mit besten Absichten. Wer hier nur mit erhobenem Zeigefinger reagiert, verpasst die Chance, aus BYOAI einen echten Wettbewerbsvorteil zu machen.
Sinnvoller ist es, die Nutzung in sichere Bahnen zu lenken: durch eigene, datenschutzkonforme Lösungen und klare Kommunikation. Viele KI-Plattformen bieten inzwischen Business- oder Enterprise-Versionen an, die genau dafür gedacht sind.
Ein realistischer Blick nach vorn
BYOAI ist kein vorübergehender Trend, sondern Ausdruck einer größeren Entwicklung: KI wird zu einem alltäglichen Werkzeug, das Mitarbeitende genauso selbstverständlich nutzen wollen wie E-Mail oder Suchmaschinen. Unternehmen, die das anerkennen und Rahmenbedingungen schaffen, profitieren am Ende am meisten – weil sie Innovation nicht verhindern, sondern gestalten.
Eure Rookies,
Niklas & Jan
